Ausbau
des Flughafens Kiel-Holtenau:
Das
Gutachten weist schwere Fehler auf
Grüne
fordern: Schienenanbindung von Fuhlsbüttel
Zu
der geplanten Verlängerung der Start- und Landebahn des Flughafens
Kiel-Holtenau erklären Karl-Martin Hentschel, Fraktionsvorsitzender der
Landtagsfraktion, und Lutz Oschmann, Fraktionsvorsitzender in der Kieler
Ratsversammlung:
Wir
stehen zum Erhalt des Regionalflughafens Kiel-Holtenau und seiner Bedeutung für
die Wirtschaft Schleswig-Holsteins.
Wir
haben das vorliegende Gutachten deshalb einer gründlichen ersten Prüfung
unterzogen. Es ist ein Auftragsgutachten, das erkennbar schwere Fehler enthält
und in seinen Schlussfolgerungen für uns nicht nachvollziehbar ist:
v
Die
Behauptung, die Landebahn müsse verlängert werden, um den Geschäftsverkehr
fortzusetzen, ist eindeutig falsch.
v
Die
Angaben über zukünftig verfügbare Flugzeugtypen widersprechen den
Herstellerangaben.
v
Die
Gewinnprognosen basieren bereits auf geschönten Basisdaten, die fortgeschrieben
werden.
Wir
sind deshalb der Auffassung, dass die wichtigste strategische Option, um eine
schnelle Verbindung für die schleswig-holsteinische Wirtschaft zu den europäischen
Zentren zu gewährleisten, eine Schienenanbindung nach Hamburg-Fuhlsbüttel ist.
Dies entspräche auch der Strategie des Bundesverkehrsministers Bodewig.
Wir
begrüßen, dass der Wirtschaftsminister Rohwer eine ergebnisoffene Prüfung des
Gutachtens zugesagt hat.
Zunächst
eine Vorbemerkung: Die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen kann sich eine
produktivere Nutzung des 192 ha großen Flughafengeländes vorstellen. Es ist
sehr attraktiv an der Förde gelegen und eignet sich für Gewerbe wie für
Wohnen und Freizeitaktivitäten. Der Kieler Steuerkraft würde ein solche
Entwicklung sehr nützen. Dies erfordert aber eine Verlagerung des
Regionalflughafens an einen anderen Standort, die bislang politisch nicht
durchsetzbar war.
Der
heutige Flughafen hat mit seinen Regionallinien für den Geschäftsreiseverkehr
eine wirtschaftliche Bedeutung für die Kieler und die K.E.R.N.-Region. Dies
gilt insbesondere die Firma Heidelberger, aber auch für die Universität und
die neuen Software- und Multimedia-Firmen. Deshalb akzeptieren wir die
derzeitige Nutzung des Flughafens.
Die
Aussagen der Potenzial-Analyse stehen und fallen mit der Behauptung, dass ohne
den Einsatz von Düsenjets der Linienverkehr ab 2008 in Kiel zusammenbrechen würde
und deshalb eine Verlängerung der Landesbahn erforderlich ist. Mit diesem
Horror-Szenario und den daraus abgeleiteten Folgen für den Wirtschaftsstandort
K.E.R.N.-Region wird der Ausbau der Start- und Landebahn auf 2.700 m Länge begründet.
Und wenn ausgebaut würde, dann gleich so, dass auch größere Düsenjets wie
die Boing 737 und der Airbus 319 oder 320 die Landebahn nutzen könnten.
Als
öffentlicher Flughafen hat Kiel-Holtenau eine Bedienpflicht. Wenn ein
Veranstalter von Kiel aus Pauschalreiseverkehr durchführen will, dann wird ihm
dies gestattet. Die hohen Zuwächse beim Passagieraufkommen, von denen im
Gutachten ausgegangen wird, haben auch mit Steigerungen beim Charterverkehr zu
tun. Wir halten die Schätzungen für den Charter-Verkehr sogar für bewusst
untertrieben, um die "Pferde" (sprich die Bevölkerung) nicht
"unnötig scheu" zu machen. Bei den enormen Gesamtinvestitionen von
160 bis 170 Mio. DM steht der Flughafen natürlich unter Erfolgszwang. Er muss
steigende Nutzerzahlen vorweisen, deshalb wird er um Pauschalverkehr werben.
Wenn PolitikerInnen nun für den Ausbau sind, aber nur für den Linienverkehr
und nicht für den Pauschaltourismus, dann ist das naiv.
Um
den Geschäftreiseverkehr in Linienbedienung aufrecht zu erhalten, ist eine Verlängerung
der Start- und Landebahn nicht notwendig. Die Akquirierung der Flugverbindung
nach München zeigt, dass das auch mit einer ATR42-500, einem kleineren
Propellerflugzeug möglich ist, obwohl die Lufthansa diese Linie zuerst nur mit
Jets bedienen wollte.
Tatsächlich
wird es auch weiterhin Propellerflugzeuge, sogenannte Turboprops, im
Regionalverkehr geben, da diese sehr wirtschaftlich fliegen. Selbst der
Gutachter sieht den Einsatz von Turboprops noch für die nächsten zehn Jahre.
Es gibt aber auch andere Regionalflugzeuge mit ca. 50 bis 80 Sitzplätzen, und
zwar sowohl Jets wie Turboprops, die mit der jetzigen Landbahn auskommen: Die
Turbopropmaschinen ATR72, die Q300 Dash 8 und Q400 Dash 8 von Bombardier sowie
die Jets Fairchild Dornier 528 und die Avro RJ70 und RJ85.
Einige
dieser Maschinen werden zur Zeit sogar völlig neu entwickelt und demnächst in
Betrieb genommen. In den nächsten Jahren bis 2010 werden die Flugzeuge weiter
entwickelt werden und es wird auch weiterhin Flugzeuge geben, die in Kiel landen
können.
Der
London City Airport hat eine kürzere Landebahn als Holtenau, nur 1190 m Länge,
doch hier landen täglich viele kleinere Jets. Pro Jahr liegt das
Passagieraufkommen bei 1,5 Mio., also dem Zehnfachen des Kieler Aufkommens. An
einen Ausbau der Landebahn wird in London wegen der Stadtlage nicht gedacht. Ab
dem 25.3.2001 wird die Flugverbindung Berlin-Tegel zum London City Airport
aufgenommen, vorgesehen sind pro Tag je drei Hin- und Rückflüge. Zum Einsatz
kommt die vierstrahlige Avro RJ85 mit 80 Sitzplätzen. Von diesem Typ setzt die
Lufthansa schon 18 Flugzeuge ein. Wenn die Avro RJ85 am London City Airport
starten und landen kann, dann geht das genauso gut in Kiel-Holtenau. Damit ist
die Aussage des Gutachtens widerlegt, dass keine modernen Jets die Landebahn von
1260 m Länge nutzen können.
Die
Startbahnverlängerung soll rund 160 Mio. DM kosten. Bezahlen kann das weder die
Kieler Flughafen-Gesellschaft (KFG) noch die Stadt oder das Land. Deshalb sollen
die gesamten Investitionen aus Fördermitteln bestritten werden. Alle
Investitionen für den Flughafen und die Startbahn sollen aus dem
Regionalprogramm 2000-2006 finanziert werden. Damit konkurriert aber das
Flughafen-Projekt mit anderen Projekten aus der Kieler Region und ganz
Schleswig-Holstein.
Die
Tieferlegung der B503 kostet 60 Mio. DM und soll vom Bund bezahlt werden. Wenn
diese Mittel fließen, werden sie auf die Quote von Schleswig-Holstein
angerechnet. Aber warum sollte gerade dieses Projekt vom
Bundesverkehrsministerium gefördert werden, wo doch der Minister sich Ende
Februar für eine Verringerung der innerdeutschen Flüge ausgesprochen hat? Wir
sehen deshalb wenig Chancen, dass die geplante Tieferlegung als eine vorrangige
Maßnahme in den Bundesverkehrswegeplan kommt. Bis jetzt ist sie auch noch nicht
angemeldet.
Der
Betrieb des Flughafens ist hoch defizitär. Jedes Jahr zahlen Stadt und Land
jeweils einen Betriebszuschuss von ungefähr 900.000 DM. Alle Investitionen
werden ebenfalls von den Eigentümern bezahlt. Als die KFG vor einem Jahr einen
Kredit von 3,5 Mio. DM für die Flugzeughalle aufnahm, musste der Kredit von
Stadt und Land hälftig verbürgt werden. Zins und Tilgung werden zukünftig in
einem erhöhten Betriebskostenzuschuss auftauchen.
Es
gibt heftige Bürgerproteste in Altenholz, Holtenau und Heikendorf. Von der
Steigerung der Fluglärms wären in der Kieler Region gut 150.000 Menschen
betroffen. Die Lebensqualität vieler Menschen würde sich verschlechtern. Dass
der Flugverkehr besonders klimaschädlich ist, hat das Bundesumweltamt in seinem
Jahresbericht gerade wieder betont.
Das
Land will eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und die Stadt Kiel versteht
sich als Klimaschutzstadt. Beides passt nicht zusammen mit dem Flughafenausbau.
Wir
vertrauen auf der Zusage von Minister Rohwer, dass es eine breite und offene
Diskussion geben wird, bevor im Herbst eine Entscheidung gefällt wird. Minister
Rohwer hätte gerne einen breiten Konsens für den Ausbau. Dieser scheint aber
nicht in Sicht: Zur Zeit setzen sich ExpertInnen (JuristInnen,
Wirtschaftsfachleute, ÖkologInnen und IngenieurInnen) aus den Reihen der Bürgerinitiativen
und der betroffenen Kommunen zusammen, um die Schwächen des Gutachtens zu
analysieren
Das
Gutachten weist erhebliche Mängel auf: Wir nennen beispielhaft einen groben
Schnitzer. Im Wirtschaftsplan der KFG für 2001 werden für die Einnahmeposition
"Bodendienste/Passagiergebühren" 700.000 DM veranschlagt, in 2000
waren es 635.000 DM. Der Gutachter setzt für seine Erlösplanung für das 2001
aber 3,334 Mio. DM ein, also das Fünffache. Eine Begründung gibt es nicht. Der
Fehler wird aber bis ins Jahr 2011 fortgeschrieben und führt dann zu
rechnerischen Jahresüberschüssen. Witzigerweise sind es genau die 2,4 Mio. DM,
die zuviel veranschlagt sind in der Kalkulation der Gutachter, die ab 2006 als
Überschüsse bejubelt werden. Die KFG hat mittlerweile diesen Fehler schon
selbst zugegeben.
Wir
begrüßen die Erklärung des Bundesverkehrsministers Bodewig, dass die
Bundesregierung das Passagieraufkommen des innerdeutschen Flugverkehrs
weitgehend auf die Schiene verlagern will. Damit wird die Aussage der
Flughafen-Gutachter widerlegt, dass die Bundesregierung an den Ausbau des
Regionalflugverkehrs denkt. Mit der neuen ICE-T-Verbindung von Kiel nach Berlin,
die am 10. Juni 2001 starten wird, gibt es eine neue attraktive
Schienenalternative zum Flugverkehr. Ab 2006 soll dann die Strecke Kiel-Berlin
in 2,5 Stunden gefahren werden. Wir werden sehen, wie die Kunden diese Angebote
annehmen.
Alle
großen Flughäfen sollen laut Bodewig mit stündlichen ICE´s angebunden
werden. Damit stellt sich erneut die Frage der Schienenanbindung von Fuhlsbüttel
auch von Kiel aus. Es gibt verschiedene Anbindungsmöglichkeiten: Über die
AKN-Trasse von Neumünster über Norderstedt, über die AKN-Trasse von Neumünster
über Quickborn und über die Güterumgehungsbahn von Eidelstedt zum Flughafen.
Eine
schnelle Schienenanbindung von Kiel-Neumünster nach Fuhlsbüttel würde auch für
die GeschäftskundInnen mehr Vorteile bringen als einzelne zusätzliche
Verbindungen von Kiel aus, da ja die wichtigsten innerdeutschen Ziele von Fuhlsbüttel
aus stündlich angeflogen werden, während man in Kiel darauf angewiesen ist,
die einzige tägliche Verbindung zu nutzen.
Wenn
also über Investitionen im Zusammenhang von fast 200 Mio. DM in Holtenau
gesprochen wird, dann muss die Alternative Schienenanbindung von Fuhlsbüttel
mit untersucht werden.
_________________________________________________________________________
Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
im
Schleswig-Holsteinischen Landtag