"Wie in einer Bananenrepublik"
"Wir haben nichts gegen den Flughafen, obwohl wir schon jetzt unter Lärm
und Kerosingeruch leiden", betont Anwohner Karl-Heinz Stock aus Stift.
Durch den Ausbau und den damit verbundenen verstärkten Flugverkehr befürchtet
er jedoch eine unerträgliche Zunahme des Geräuschpegels, zumal durch eine verlängerte
Landebahn und vorherrschende westliche Winde der Lärm beim Starten und Landen
direkt auf Altenholz zugetrieben werde. Geert Rohde aus der Nachbargemeinde
sagt: "Dänischenhagen schläft noch. Die Leute ahnen gar nicht, was auf
sie zukommt." Er beklagt, dass "politisch mit gezinkten Karten
gespielt wird".
Karsten Ralfs hält den Ausbau und die weitere Verlagerung des Verkehrs in
die Luft für "ökologischen Wahnsinn". Zudem zweifelt der Stifter an
dem Demokratie-Verständnis der Befürworter: "Das ist doch wie in einer
Bananenrepublik, wenn von der IHK nun ergänzende Gutachten eingeholt werden
sollen und deren Mitarbeiter gleichzeitig Posten in der Flughafengesellschaft
bekleiden." Hans-Ludwig Gaude sieht in der 125000 Mark teuren Untersuchung
der Dornier SystemConsult nur eine "Impotenzialanalyse". Das
"Machwerk" blamiere Stadt und Land, wenn es weiterhin als Grundlage für
politische Entscheidungen diene, meint der Altenholzer.
Sorgen um den geplanten 400 Meter langen Tunnel macht sich Hanno Müller-Deile
(13) aus Holtenau: "Altenholz wird dadurch von Kiel abgetrennt." Der
radelnde Schüler spielt Handball beim TSV Altenholz und fährt im Sommer gern
zum Falckensteiner Strand. Er befürchtet "riesige Staus" und
bezweifelt, dass der Unterricht im Stifter Schulzentrum wegen des Lärms
aufrecht erhalten werden kann. In diesem Zusammenhang vermisst Eckart Sturm eine
klare Stellungnahme von Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave, die gleichzeitig auch
Landtagsabgeordnete für Altenholz ist: "Warum schweigt sie jetzt?",
fragte er sich.
Hermann Claussen aus Stift beklagt, dass das hoch verschuldete Land den
defizitären Flughafen mit Steuergeldern ausbauen wolle, obwohl gerade die Zahl
der Linienflüge nach Berlin von zwei auf einen täglich reduziert worden sei.
Auch Anneliese Suttor kann nicht verstehen, dass "Klo-Häuschen in Kiel
geschlossen werden und für den teuren Flughafen-Ausbau Geld vorhanden
ist". Zudem beklagt die Stifterin: "Die Segler wurden völlig
vergessen. Die werden doch künftig mit einem Lärmteppich überzogen." Sie
gibt zu bedenken, dass die Förde auch Naherholungsgebiet sei und die Stadt sich
um die Austragung der Segel-Olympiade bemühe. Herbert Kolberg hält den
Flughafen-Ausbau in der Stadt schlicht für "rücksichtslos".
"Urbanes Leben mit Wohnen, Arbeiten und Erholen wäre hier auf dem
bisherigen Flugplatz eine tolle Variante", schlägt Karl-Heinz Pentz vor.
Durch einen Ausbau würde sich Kiel "eine tolle Variante vergeben, etwas
gegen die Stadtflucht zu tun". Was Georg Poetzsch-Heffter ähnlich sieht.
"Würde die Landeshauptstadt ihre Interessen wirklich wahrnehmen, müsste
sie sehen, das Flughafenareal freizuräumen", sagt der ehemalige
Staatssekretär im Innenministerium. Immerhin gehöre die Gegend zu den schönsten
Kiels, und Flächen für zusätzliche Industrieansiedlung seien ohnehin nicht
vorhanden. Poetzsch-Heffter: "Hier versucht eine kleine Gruppe, ihre
Interessen durchzusetzen."
Darin pflichtet ihm Bodo Haack bei. Er zeigt auf eine Karte, die er
mitgebracht hat. "Im Dreieck Rendsburg-Kiel-Neumünster gibt es mindestens
sechs Stellen, an denen man eine fünf Kilometer lange Piste ausbauen könnte
und maximal 30000 Einwohner belästigen würde." Auch sei es wichtig zu erwähnen,
dass "wir hier an delikater Stelle wohnen", sagt der Diplom-Ingenieur
und verweist auf den Kanal, auf dem mancher Tanker Atommüll transportiere, und
das nahe gelegene Munitionslager. Hendrika Schmidt gibt in diesem Zusammenhang
zu bedenken, dass "über 80 Prozent der Flugunfälle bei den Starts und
Landungen passieren."
Cornelia Tiessen-Bleyl aus Holtenau sagt, dass es im Vergleich zum dicht
besiedelten Ruhrgebiet doch nicht so schwer sein könne, in Schleswig-Holstein
einen Platz mit unbewohntem Land zu finden. Ihre Schwester, Sybille Tiessen,
bezeichnet die Entwicklung in der Stadt als "erschreckend". Kiel zerstöre
seinen Freizeitwert, sagt sie und verweist unter anderem auf die Rodung von
Kleingärten auf dem Ikea-Gelände. Beide sind sich einig, dass eine
Flughafenerweiterung aus betriebswirtschaftlichen Gründen Pauschaltourismus
nach sich ziehen würde. Und Heinz Thonholtz fragt, was denn nun höherwertiger
sei: "Gesundheit oder Bequemlichkeit?"
Carola Floors würde einen Tunnel, den die Potenzialanalyse unter einer
ausgebauten Start- und Landebahn vorschlägt, für eine "absolute
Katastrophe" halten. Diese Straßenführung sei für Kinder und Radfahrer
gefährlich und darüber hinaus vor allem nach Einbruch der Dunkelheit ein
Angstraum.
Eva-Maria Hilbert beklagt, dass der Fluglärm bereits jetzt vor allem für
Kinder ein Problem sei, weil ihr Schlafrhythmus ein anderer als bei Erwachsenen
sei. "Der Fluglärm ist ohnehin mehr geworden", unterstützt sie Jürgen
Froh. "Die Maschinen laufen minutenlang warm."
"Wir haben nur einen Wunsch: Die Verantwortlichen sollen nur ein, zwei
Jahre in unseren Wohnungen leben und den Lärm ertragen müssen. Sie würden nie
für den Ausbau stimmen", sagen Anneliese und Manfred Kleinschmidt. Inge
von Perger wird das "Gefühl nicht los, dass von offizieller Seite nie die
Wahrheit gesagt wird". Nur Dank der Bemühungen der Bürgerinitiative sei
Vieles ans Licht gekommen. "Gewisse Belästigungen" würde Ursula Witt
auch zukünftig in Kauf nehmen. "Irgendwann ist aber Schluss", sagt
die Dänischenhagenerin und ist besorgt über die Lärmbelästigungen, unter
denen ihre und die anderen Kinder in den Altenholzer Schulen bereits jetzt
leiden.
Ärgerlich über die "Art und Weise, wie wir von allen übergebügelt
werden", ist Eva-Maria Brandt. Das erzeuge Misstrauen. "Die Politiker
kapieren nicht, dass sie für die Bürger da sein sollen", sagt sie.
"Wir werden von denen doch abgestempelt wie der letzte Dreck", meinen
Ingrid und Jürgen Martin, die nur 200 Meter entfernt vom Flugplatz wohnen. Lärmschutzmaßnahmen,
die sie beim Wirtschaftsministerium beantragt hatten, seien glatt abgelehnt
worden. Die Überzeugung von Gerda Clausen: "Die Politik wird von den
Firmen unter Druck gesetzt." Nach Auffassung von Uwe Rakete will "eine
Handvoll Leute aus Wirtschaft und Politik ihre Interessen auf Teufel komm raus
durchboxen".
"Ein großer Flugplatz wäre schlimm für die älteren Menschen",
meint Karin Eick. Was man sich in Jahrzehnten hart aufgebaut habe, würde kaputt
gemacht, die ruhigen Stunden, auf die man sich lange gefreut habe, gebe es
nicht. Für Christian Abelmann-Brockmann steht fest: "Ist die lange
Startbahn da, ist der Damm gebrochen und Charterflugzeuge landen. Die bringen
das Geld." Das, so sagt er weiter, wäre aber das Ende für die Leute, die
in der Umgebung leben.
Stark gefährdet sieht Lutz Buckenberger das Kulturgut Gut Knoop, das der Bevölkerung
für viele Veranstaltungen zur Verfügung steht. Seiner Meinung nach wird
Altenholz ausbluten. Die alten könnten nicht weg, die Jungen seien mobil. Den
Umgang Kiels mit dem Umland vergleicht der Hausarzt mit einem bockigen Kind:
"Was ich nicht bekommen kann, mache ich kaputt." (TM/zel/vr)
KN v. 26.03.01